Orientierung finden mithilfe Angehöriger
Nach der Diagnose „Netzhauterkrankung“ müssen sich nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch die Familienangehörigen und der Freundeskreis auf die neue Situation einstellen. Denn die Erkrankung wirkt sich häufig auf das gemeinsame Leben und auf zuvor geschmiedete Zukunftspläne aus. Neue Wege und Bewältigungsstrategien müssen von allen Beteiligten gefunden und umgesetzt werden.
Erschienen am 26.09.2022
Häufig gestellte Fragen
Angehörige können beispielsweise Einkäufe oder handwerkliche Tätigkeiten erledigen, zu Arztterminen begleiten und Informationen über Netzhauterkrankungen sammeln.
Sie sollten das Gespräch miteinander suchen und aktiv nachfragen, was die oder der Betroffene sich wünscht, welche Art der Unterstützung sie oder er braucht und welche Ängste und Sorgen sie oder ihn belasten.
Der Austausch mit Menschen in einer ähnlichen Situation oder eine professionelle psychologische Beratung können sehr hilfreich sein. Unterstützung bieten auch Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen.
Mit negativen Erwartungen und Ängsten umgehen
Wenn bei Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner oder einem anderen nahestehenden Menschen eine Netzhauterkrankung diagnostiziert wurde, fühlen Sie sich zunächst vielleicht hilflos und sind sich nicht sicher, wie Sie die Betroffene oder den Betroffenen unterstützen können. Hinzu kommen offene Fragen, beispielsweise wie das weitere Zusammenleben und die gemeinsame Zukunft aussehen werden oder die Befürchtung, dass man sich von gemeinsamen Plänen verabschieden muss.1
Die Betroffenen haben oft Angst davor, nicht mehr selbstständig zurechtzukommen und ihrem Familien- und Freundeskreis zukünftig zur Last zu fallen.2
Über negative Erwartungen und Ängste sprechen
Um dem emotionalen Rückzug vorzubeugen, sollten Sie mit Ihrer betroffenen Partnerin, Ihrem betroffenen Partner oder der Ihnen nahestehenden Person, die die Diagnose erhalten hat, ganz bewusst im Gespräch bleiben. Es ist an dieser Stelle sinnvoll, einfach danach zu fragen, was sie oder er aktuell braucht, auf welche Art Sie unterstützen sollen und was sie oder er sich von Ihnen wünscht.
Glücksmomente schaffen
Um Ängste und negative Erwartungen zu durchbrechen, ist es besonders wichtig, sich bewusst Tätigkeiten und Unternehmungen zu suchen, die Freude und Leichtigkeit in das Alltagsleben bringen. Je nach Interessenlage können das beispielsweise regelmäßige (Kurz-)Reisen, Ausflüge, ein Kochkurs oder ein neues Hobby wie Radfahren mit dem Tandem sein – suchen Sie das aus, was Ihnen kleine Glücksmomente beschert.
Informationen besorgen
Um Ängste und Sorgen, die nach der Diagnose bei vielen aufkommen, aus dem Weg zu räumen, können rationale Informationen positiv wirken. Bei der Informationsbeschaffung können Angehörige helfen und damit sowohl sich selbst als auch der oder dem Betroffenen Ängste nehmen und möglicherweise Zuversicht und Hoffnung spenden.
Fragen Sie Ihre Angehörige oder Ihren Angehörigen am besten, welche Fragen sie oder ihn beschäftigen und suchen Sie die entsprechenden Informationen zusammen.
Häufige Fragen sind beispielsweise:
- Was genau verändert sich bei der Netzhauterkrankung im Auge?
- Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
- Welche Hilfsmittel können den Alltag erleichtern?
- Sind Anpassungen in und außerhalb der Wohnung nötig?
Angehörige und Freunde können im Alltag eine wichtige Stütze sein, um mit der Erkrankung besser umzugehen. Sie können beispielsweise die Begleitung zu den Arztterminen übernehmen. Was nAMD-Patientin Monika kurz nach der Diagnose gut getan hat, erzählt Monikas Ehemann Volker hier im Video.
Unterstützung von außen
Wenn Sie merken, dass trotz eines aktiven Austauschs immer mehr Spannungen in der Partnerschaft, Freundschaft oder Familie entstehen, kann es hilfreich sein, Kontakt zu anderen Betroffenen aufzunehmen oder eine Beratung durch therapeutische Fachleute in Anspruch zu nehmen.3
Wie Angehörige unterstützen können – und wie nicht
Angehörige können Menschen, die an einer Netzhauterkrankung leiden, in vielfacher Hinsicht unterstützen: Das kann beispielsweise die Begleitung zur Augenärztin oder zum Augenarzt, das Erledigen von Einkäufen, Wäschewaschen, Putzen, handwerkliche Tätigkeiten und vieles mehr sein.
Bei aller gut gemeinter Hilfe und Unterstützung ist es allerdings wichtig, auf die Bedürfnisse des oder der Betroffenen einzugehen. Es ist beispielsweise nicht hilfreich, den Betroffenen so viele Tätigkeiten und Entscheidungen im Alltagsleben wie möglich abzunehmen.
Denn Menschen mit einer Seheinschränkung sind in der Regel sehr daran interessiert, ein möglichst eigenständiges und selbstbestimmtes Leben weiterzuführen. Eine genaue Absprache darüber, wer zukünftig welche Aufgaben und Entscheidungen übernimmt und welche Art der Unterstützung er oder sie braucht, sorgt dafür, dass sich eine Person mit nachlassender Sehschärfe weiterhin wie ein eigenständiger Mensch fühlen kann.4
Im Gespräch und Austausch mit Betroffenen wollen Angehörige oftmals Mut spenden und gut gemeinte Ratschläge erteilen. Hierbei kommt es allerdings auf die richtige Dosis und Feingefühl bei der Auswahl der Worte an, um nicht das Gegenteil zu erreichen.
Über eine Netzhauterkrankung und die möglichen Folgen zu sprechen, fällt verständlicherweise den wenigsten Menschen leicht. Ebenso verständlich ist es, dass Betroffene ablehnend reagieren, wenn ihnen vermeintlich mutmachende Aussagen wie beispielsweise „Das wird schon wieder“ phrasenartig erscheinen. Betroffene empfinden solche Floskeln möglicherweise als Verharmlosung der Erkrankung und sollten lieber unterlassen werden.
Folgende Aussagen sollten Angehörige vermeiden:
- Du siehst ja gar nicht krank aus.
- Du musst IMMER positiv denken!
- Man darf sich nicht aufgeben, denn das Leben ist kein Zuckerschlecken.
- Das kriegen die Ärztinnen oder Ärzte schon wieder hin.
Während der Erkrankung ist es besonders wichtig, offen über Ängste und Erwartungen zu sprechen – und zwar auf beiden Seiten. Zum einen können Sie so verhindern, dass die oder der Betroffene sich aus Scham und Angst, anderen zur Last zu fallen, zurückzieht. Zum anderen ist es hilfreich, gegenseitige Erwartungen zu besprechen und zu klären.
Zusammenfassung
Wenn bei einer Person eine Netzhauterkrankung diagnostiziert wurde, betrifft dies immer auch das nahe Umfeld. Angehörige machen sich Sorgen und Partnerschaften können unter der neuen Situation leiden. Die Betroffenen wiederum möchten vielleicht nicht ständig um Hilfe bitten oder können vieles selbst erledigen. Sprechen Sie gemeinsam darüber, wo Unterstützung gebraucht wird und wo sie vielleicht nicht nötig ist.